Im Takt mit dem Recht
Rechtsanwalt Müller
 

Ihre Fragen zum Lockdown II 

1. An welchen Fachanwalt wende ich mich, wenn ich eine Klage gegen meine Schließung einreichen will?

Da gibt es aus meiner Sicht zwei Möglichkeiten. Da die Klagen vor den Verwaltungsgerichten bzw. den Oberverwaltungsgerichten erhoben werden müssten, empfiehlt sich ein Fachanwalt für Verwaltungsrecht. Noch mehr als auf die Fachrichtung kommt es aber darauf an, dass sich der Anwalt Zeit nimmt, um sich in diese völlig neue Situation einzuarbeiten. Die rechtlichen Problematiken rund um die Corona-Pandemie sind sowohl für Anwälte als auch für die Gerichte völlig neuartig. Eine auf die jeweilige Branche spezialisierte Kanzlei kommt daher ebenso in Betracht. Unsere Kanzlei hat sich z. B. auf die Beratung und Vertretung von Tanzschulen, Fitnessstudios, Restaurants und Eventlocations spezialisiert (www.tanzschulrecht.de).

 

2. Welche Klage kann ich eigentlich einreichen, und vor welchem Gericht?

Das kommt entscheidend darauf an, wo sich die Tanzschule befindet, denn die Regelungen sind von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Die Einschränkungen werden in der Regel durch Verordnungen der Länder erlassen. Daher muss in den meisten Bundesländern eine sogenannte Normenkontrollklage zum Oberverwaltungsgericht erhoben werden. In manchen Ländern, z. B. Bayern und Baden-Württemberg heißt dieses Gericht noch traditionell Verwaltungsgerichtshof (VGH). Für dieses Verfahren besteht Anwaltszwang. Eine Klage zum Verwaltungsgericht wäre hier unzulässig. In Berlin und Hamburg z. B. kann man nicht direkt das OVG anrufen. Hier müsste man eine Feststellungsklage zum örtlichen Verwaltungsgericht erheben. Dies könnte grundsätzlich auch ohne Anwalt gemacht werden. Aufgrund der Komplexität der Angelegenheiten empfiehlt es sich natürlich, auch hier einen Anwalt zu Rate zu ziehen, zumal es auch ein paar prozessuale „Spielregeln“ einzuhalten gibt. So ist uns zum Beispiel ein Fall aus Baden-Württemberg bekannt, in dem ein Tanzschulinhaber selbst Klage bei Verwaltungsgericht erhoben hat, dieses in Baden-Württemberg aber unzuständig war. Nach entsprechendem Hinweis des Gerichts wurde die Sache dann an den Verwaltungsgerichtshof verwiesen.

 

3. Hat meine Klage eine Auswirkung auf mögliche Förderungen oder Hilfspakete (z.B. Überbrückungshilfen)? Wenn, ja, welche und warum?

Hier ist tatsächlich Vorsicht geboten. Jeder Unternehmer muss sich Gedanken machen, welches konkrete Ziel mit seiner Klage erreichen möchte. Der Anwalt hilft natürlich bei der Erörterung dieser Frage. Begehrt der Unternehmer eine schnelle Wiedereröffnung seiner Tanzschule, seines Fitnessstudios oder seines Restaurants nach einer behördlichen Schließungsanordnung, so müsste er zusätzlich zu dem eben schon genannten Normenkontrollantrag ein sogenanntes Eilverfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung betreiben. Wenn dann tatsächlich das Gericht entscheidet, dass die Tanzschule vorläufig wieder öffnen darf, dann ist das Unternehmen ja nicht mehr zwangsgeschlossen und es besteht die Gefahr, dass keine staatliche Unterstützung fließt. Gerade bei den angekündigten Novemberhilfen, die 75 % des Vorjahresumsatzes erstatten sollen, muss man sich das individuell natürlich genau überlegen. Der Anwalt kann natürlich auch hier mit Rat und Tat zur Seite stehen.

4. Was müsste in der Klageschrift grob drinstehen?

Vor dem örtlichen Verwaltungsgericht kann die Klage mündlich oder schriftlich erhoben werden. Mündlich wird eine Klage zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erhoben. Der Rechtssuchende muss sich zu seinem örtlichen Verwaltungsgericht begeben und kann sein Anliegen dort bei der Rechtsantragsstelle oder Eingangsgeschäftsstelle dem zuständigen Justizbediensteten vortragen. Es wird protokolliert, erhält ein Aktenzeichen und wird dann der nach dem gerichtlichen Geschäftsverteilungsplan zuständigen Kammer des Verwaltungsgerichts vorgelegt. Es ist sinnvoll, alle für die geltend gemachten Ansprüche wichtigen Unterlagen im Original oder in Kopie mitzubringen. Eine mündliche Klageerhebung ist nur bei dem Verwaltungsgericht möglich. Bei den Normenkontrollklagen vor dem Oberverwaltungsgericht, die wir hier ja meistens haben, muss die Klage schriftlich durch einen Anwalt erhoben werden. Auch wenn es beim Verwaltungsgericht ohne Anwalt geht, sollte jedenfalls sorgfältig geprüft werden, ob das Verwaltungsgericht überhaupt zuständig und eine Klage dort zulässig ist.

 

Die schriftliche Klageerhebung ist der Regelfall für die Einleitung eines Klageverfahrens. Sie wird dadurch bewirkt, dass eine Klageschrift bei dem zuständigen Verwaltungsgericht eingereicht wird. Diese muss mindestens enthalten


  • Bezeichnung des Klägers: Hier müssen der vollständige Name (Vor- und Nachname) sowie die vollständige Anschrift (Postfach reicht nicht) angegeben werden, damit der Kläger vom Gericht jederzeit erreicht werden kann. Wird die Klage für Minderjährige oder eine juristische Person erhoben, ist die Angabe des gesetzlichen Vertreters nötig.
  • Bezeichnung des Beklagten: Die Klage ist nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO i. d. R. gegen den Bund, das Land oder die Körperschaft zu richten, deren Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt oder die Verordnung erlassen hat. Danach gilt das sogenannte Rechtsträgerprinzip. Die korrekte Bezeichnung des Rechtsträgers, gegen den die Klage zu richten ist, ist daher nicht immer einfach. In der Regel ist das bei einer Landesverordnung das jeweilige Bundesland oder die Stadt, die eine Allgemeinverfügung erlassen hat. In wenigen Bundesländern ist dies anders, dort muss gem. § 78 Abs 1 Nr. 2 VwGO die Behörde verklagt werden und nicht deren Rechtsträger.
  • Bezeichnung des Klagebegehrens: Eine wichtige Funktion der Klageschrift ist es, dem Gericht möglichst exakt deutlich zu machen, welches Ziel mit der Klage verfolgt werden soll. Welche Angaben hier im Einzelnen erforderlich sind, hängt von dem konkreten Klageziel ab. Z. B. Außervollzugsetzung der Corona-Verordnung oder Feststellung, dass man von der Verordnung nicht betroffen ist.
  • Eigenhändige Unterschrift: Die Klage muss unterschrieben sein.

Darüber hinaus sollte die Klage enthalten:


  • Einen konkreten Antrag
  • Eine Tatsachenschilderung
  • Beweismittel.

 

5. Muss ich vor Gericht mit erscheinen und eine Aussage machen?

Grundsätzlich ja. In Deutschland gilt der Grundsatz der Mündlichkeit vor Gericht. D. h. das Gericht muss sich in der Regel durch mündliche und persönliche Verhandlung mit den Parteien einen Eindruck verschaffen. Im Verwaltungsverfahren ist dies allerdings nicht ganz so streng. Die Parteien können auf die mündliche Verhandlung verzichten und sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklären. Bei den Eilverfahren ist grundsätzlich keine mündliche Verhandlung vorgesehen, da ja eine schnelle Entscheidung ergehen soll. Dort findet sie nur in Ausnahmefällen statt.

6. Wie hoch sind die Kosten für die Klage, falls ich keinen Rechtsschutz haben?

Die Kosten hängen vom Streitwert ab. Die Festsetzung des Streitwertes liegt grundsätzlich im Ermessen des Gerichts. Wir haben in letzter Zeit viele Klagen in Zusammenhang mit den Corona-Schutzverordnungen eingereicht. Die Gerichte setzen den Streitwert dabei i. d. R. zwischen € 5.000,00 und € 15.000,00 fest. In den südlichen Ländern Baden-Württemberg und Bayern wird in der Regel der Streitwert tendenziell höher angesetzt als z. B. in NRW, wo regelmäßig € 5.000,00 festgesetzt werden. Ein Streitwert von € 5.000,00 bedeutet z.B. Kosten für den Anwalt von rund 500 € Verfahrensgebühr und ca. € 600,00 Gerichtsgebühren. Sollte sich die Gegenseite auch einen Anwalt nehmen, so müsste man diesen dann im Falle des Unterliegens auch bezahlen. Bei einem Streitwert von € 10.000,00 entstünden pro Anwalt ca. € 900,00 und dazu ca. € 1.000,00 Gerichtskosten. Wenn in dem Verfahren eine mündliche Verhandlung vorgesehen ist, kommt noch eine Terminsgebühr für die Anwälte hinzu, die etwas günstiger ist als die Verfahrensgebühr. Die Rechtschutzversicherungen übernehmen in der Regel aber verwaltungsrechtliche Streitigkeiten. Ein guter Anwalt übernimmt für den Mandanten die Korrespondenz und die Abrechnung mit der Rechtsschutzversicherung.

7. Was muss in meinem Rechtsschutz stehen, damit die Versicherung diese Klage trägt und wie lange muss ich eine Rechtsschutzversicherung haben, damit ich diese Klage machen kann?

Es muss „Verwaltungsrecht“ versichert sein. Die meisten Rechtschutzverträge haben zudem eine Wartezeit von z. B. 6 Monaten. D. h. nach Abschluss der Versicherung müssen 6 Monate vergangen sein, bevor der erste Rechtschutzfall übernommen wird. Hier empfiehlt sich dann ein Blick in die Vertragsbedingungen. Manche RSV haben auch nur eine Wartezeit von 3 Monaten. Ein guter Versicherungsmakler kann hier eine Anlaufstelle sein.

9. Ist es nicht eine einfache Nutzen-Kosten-Rechnung, die ich machen muss, wenn ich mir überlege zu klagen? Das Geld ist doch dann weg, wenn ich verliere und die Zeit dafür auch, das will ich lieber woanders einsetzten.

Wie schon oben gesagt. Jeder Inhaber muss sich genaue Gedanken machen, was er mit seiner Klage erreichen möchte. Bei einem Eilantrag auf Wiedereröffnung muss man damit rechnen, dass es dann keine staatliche Unterstützung gibt. Man kann aber auch nur das Hauptverfahren, also die Normenkontrolle betreiben. Wenn dann das Gericht am Ende, also in 2 oder 3 Jahren feststellt, dass diese ganzen Maßnahmen doch rechtswidrig waren, kann man ggf. Amtshaftungsansprüche auf Schadenersatz geltend machen.

10. Lohnt es sich zu klagen, wenn das IfSG nun zum 3. Mal geändert wird? Dann sind doch eh alle Maßnahmen, die jetzt verordnet werden, ganz legal und ein Klagen ist doch dann per se sinnlos?

In der Tat kann im Verwaltungsrecht der Verordnungsgeber Gründe grundsätzlich nachträglich ergänzen oder sogar die Ermächtigungsgrundlage nachträglich austauschen oder verbessern. Allerdings sind auch in dem Gesetzesentwurf für den neunen § 28a IFSG wieder viele handwerkliche Fehler gefunden worden, die an seiner Wirksamkeit zweifeln lassen. So finden manche Verfassungsrechtler, „die Verfassungswidrigkeit sei dem neuen § 28 a auf die Stirn geschrieben“ (Prof. Nico Härting, https://www.lto.de/persistent/a_id/43287/ (abgerufen am: 17.11.2020).

Bezüglich der Erfolgsaussichten generell sieht es so aus, dass die meisten Anträge im Eilverfahren abgelehnt werden. Dies liegt daran, dass dort im Wesentlichen nur eine Folgenabwägung gemacht wird. Das Gericht schaut also, was wäre schlimmer: Wenn ich dem Eilantrag stattgebe und dann der Antragsteller im Hauptverfahren verliert? Oder, wenn ich den Eilantrag ablehne und der Antragsteller aber im Hauptverfahren gewinnt. Diese Abwägung geht meist zu Lasten der Tanzschulinhaber aus, da eine vorübergehende, wirtschaftliche Einbuße weniger schlimm wäre als schwere Schäden an der Volksgesundheit oder eine Überlastung des Gesundheitswesens. Allerdings befinden sich in diesen Beschlüssen fast immer Hinweise darauf, dass es im Hauptsacheverfahren anders ausgehen könnte. So haben in von mir betrieben Verfahren z. B. der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, das OVG Münster und auch der VGH Bayern z. B. erhebliche Zweifel an der Tauglichkeit der Ermächtigungsgrundlage geäußert und auch die von uns gerügte mangelnde Beteiligung der Parlamente für sehr wahrscheinlich gehalten. 

 
 
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